Ein deutscher Football-Blog

Dienstag, 2. Juni 2009

There is no "I" in team!

Langsam aber sicher scheint die Ära der reinen I-Formation zu Ende zu gehen. Immer mehr Teams stellen ihre Offense um und entdecken die Singleback- und Spread-Formations. Die NFL-Übertragungen in den 80er und 90er haben uns die I-Formation gebracht und die College-Spiele von ESPN-AMERICA (früher NASN) werden sie uns nehmen.





Ich war nie ein Fan der I-Formation. Zu viele Nachteile und eine zu hohe Anforderung an das Personal. Gerade für neue Teams mit vielen Rookies war die "I" eher ein Garant für Misserfolge als eine echte "Basis"-Offense. Die I-Formation mit seinen 2 Running Backs und 3 Receivern bietet eine Balance zwischen Run-Heavy und Pass-Happy, aber verlangt auch, dass man sehr gut werfen und laufen kann. Die Blocking Schemes sind kompliziert und aufwendig, gerade bei der Pass Protection. Mein größtes Problem mit der "I"-Formation ist aber die fehlende "Deception". Alles ist offensichtlich - der beste Running Back steht in einer Linie mit dem besten Blocker, der Number One Receiver steht außen etc. Die Defense kann sich sehr leicht auf das Personal einstellen und dann läuft es auf reine Athletik raus.
Aber nun scheint das Mindesthaltbarkeitsdatum der I-Formation abzulaufen.

Aber warum nur? Ich glaube, das Fernsehen ist schuld. Als wir nur NFL zu sehen bekommen haben, da waren wir mit 20-30 Punkten pro Spiel zufrieden, aber die Sooners, Longhorns und Red Raiders, die uns NASN zeigte, haben alles verändert. High Octane Offenses spielen nun mal keine I-Formation. Und so beginnt die Copy-Cat-Maschinerie - frei nach Hannibal Lector: Wir begehren! Und wie beginnen wir zu begehren? Indem wir etwas täglich sehen!
Ich glaube, wir befinden uns gerade am Anfang eines neuen Zeitalters. Letzte Saison hab ich unsere Defense gegen eine Standard-I-Formation gestellt (bevor ich die gegnerischen Teams das erste Mal gesehen hab), aber diese Saison habe ich für die Standard-Scout-Offense 50% Spread- und 50% I-Formation-Plays zusammengestellt. Von unseren 5 Gegner konnte ich bis jetzt 2 scouten und mein 50-50-Ansatz wurde bestätigt: ich sah einmal eine Standard-I-Formation und einmal eine Spread-Offense. Noch befinden wir uns am Anfang und es gibt ne Menge Teams, die Spread spielen, aber es leider nicht können. Quarterbacks, Receiver und auch Coaches müssen sich erst entwickeln, sie müssen lernen und sich verbessern.
Hier in meiner Region spielen die Bamberg Bears diese Saison zum ersten Mal eine Spread-Offense, konnten aber noch kein Spiel gewinnen. Natürlich kommen jetzt die kritischen Stimmen, die fragen ob es richtig war vom Power-Running zum Quick Passing zu wechseln. Ich sag: "Geben wir dem Coach und der Offense eine Chance und warten erst mal ab!"

Eine letzte Frage zum Schluss: Wie lange wird es wohl dauern bis man mit einer I-Formation zu einer Minderheit gehört?

Montag, 1. Juni 2009

Vorbilder: John Gagliardi

Die meisten Spieler haben Vorbilder. NFL-Pros oder College-Hotshots, dass ist ganz egal, das Vorbild wird dann meistens als Avatar oder Signatur in den bekannten Foren präsentiert.
Coaches haben natürlich auch Vorbilder und Mentoren, allerdings kann man diese nicht so schick präsentieren. Alte, zerknitterte Typen sind einfach kein Avatar-Material.
Ich möchte gerne, immer mal wieder ein paar meiner Vorbilder hier in meinem Blog vorstellen, heute: John Gagliardi.

John Gagliardi ist natürlich kein Unbekannter, die meisten Footballbegeisterten haben schon von dieser Footballlegende gehört. Er ist schließlich mit 461 Siegen der erfolgreichste College-Coach in den USA. Diese Saison hat er seine 60ste Saison als Footballcoach und seine 56ste als Headcoach der St. John Johnnies beendet.
Aber nicht seine Erfolge machen ihn zu meinem Vorbild, sondern sein Weg, wie er diese 461 Siege erreicht hat.

John Gagliardi ist in erster Linie für seine "No"s bekannt. Über die Jahre haben er und seine Spieler eine Liste von 108 No's erstellt. Diese No's sind keine Regeln eher ein Codex. Jedes No ist eine Lektion die Coach John in all den Saisons gelernt hat. Die berühmtesten No's sind natürlich eben jene, die den traditionellen Vorstellungen von Football-Coaching am stärksten widersprechen:

-No tackling (im Training)
-No lengthy calisthenics (keine übertriebenen Aufwärmübungen)
-No whistles
-No blocking sleds
-No playbooks



Man kann über diese Methoden diskutieren, aber nicht über die Ergebnisse. Für mich sind diese No's nicht so was wie die Bibel für die Christen. Ich mache viele Dinge ähnlich, aber halt nicht alle, z.B. gibt es bei uns sehr wohl Tackling im Training und wir haben Playbooks, aber wir benutzen auch keine Blocking Schlitten oder eine Pfeife.

Ein paar der "unbekannten" No's haben mich wesentlich mehr beeinflusst:

-No single way to coach football
-No worrying about being different or unique
All die Dogmatiker in Footballdeutschland wollen immer wieder festlegen, was "richtiger" oder "schlechter" Football ist, aber das geht nicht. Jeder Mensch ist verschiedenen und so sind auch Footballteams und Footballcoaches unterschiedlich. Jeder muss seinen eigenen Weg im Football finden!

-No surviving without humor
Gerade in Footballdeutschland darf man sich selbst nicht zu ernst nehmen. Besonders wenn man in den bekannten Foren unterwegs ist.

-No rules, except the Golden Rule
Das wichtigste No: Du brauchst keine Regeln, wenn sich alle an die Goldene Regel halten! Behandele jeden so wie du behandelt werden möchtest

Ich würde gerne mal John Gagliardi eine Woche oder einen Monat über die Schulter schauen und beobachten wie er sich jetzt, nach über 60 Jahren als Coach, mit Football auseinander setzt. Erfolg war nie sein Motor, sonst hätte er schon lange mit Football aufgehört. Das Lösen von Problemen treibt ihn an und die wird es immer in einem Footballteam geben.

Ein wirklich gutes Buch über St. John's und John Gagliardi ist Sweet Season von Austin Murphy. Er dürfte eine Saison lang die Johnnies und Coach John begleiten und hat dabei sich, seine Familie und die wundervolle Welt des Division-3-Football wiederentdeckt.

Eine letzte Anekdote über Gagliardi:
Gagliardi, mittlerweile 82 Jahre alt, wird immer wieder gefragt, wann er in Ruhestand geht. Seine Antwort darauf ist: "I want my tombstone to read: I’d rather be coaching."