Ein deutscher Football-Blog

Dienstag, 19. April 2011

Tackling - Eine ernste Angelegenheit

Ich habe diesen Beitrag letztes Jahr nach dem Unfall von Eric LeGrand begonnen, aber einfach nicht fertig geschrieben. Für alle, die noch nichts von Eric LeGrands Schicksal wissen, möchte ich eine kurze Zusammenfassung geben.
LeGrand war Defensive Lineman bei den Rutgers University Scarlet Knights. Letztes Jahr verletzte er sich im Spiel gegen Army so schwer am Genick, dass er bis heute von den Schultern abwärts gelähmt ist. Er verletzte sich als er den Returner von Army tackelte; der erste Punkt des Kontaktes war sein Kopf und im Moment des Kontakts war sein Kopf nach unten geneigt.


Jetzt hat die Saison 2011 in Deutschland begonnen und in den paar Spielen, die ich bis jetzt gesehen habe, wurden wieder Hits und Blows ausgeteilt ohne Rücksicht auf Verluste und vor allem ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit (ich habe vor ein paar Jahren mal den Thread "Tackling -Was ist das?" im Footballforum gestartet und die schlimmste Beispiele für schlechtes Tackling präsentiert, vielleicht sollte ich diesen Thread wiederbeleben).
Die meisten von uns Football-Spielern und Coaches in Deutschland haben das "Heads Up"-Video gesehen und wissen um die Gefahr die schlechte Technik beim Tackling mit sich bringt. Aber dennoch habe ich das Gefühl, dass sich sehr wenig beim Coaching in dieser Richtung tut. Wir haben unsere Coaches Clinics und Conventions, aber dazu laden wir immer nur Top-Level-Coaches ein, die uns von X's and O's erzählen sollen. Verständlicherweise bildet ein Trainer im höchsten Level seine Spieler kaum mehr aus, er bildet sie weiter. Die Ausbildung der Fundamentals übernehmen Coaches aus der Jugend und den niedrigeren Ligen. Und diese Coaches werden wiederum von Trainern ausgebildet, die sich eigentlich kaum mit Fundamentals befassen....ich würde mal behaupten, wir stecken in einer Zwickmühle!

Ich bin seit fast 10 Jahren Trainer von Jugendmannschaften oder Herrenteams aus den unteren Ligen. Seit fast 10 Jahren führe ich ganz neue und unerfahrene Spieler an die Grundtechniken unseres Sportes heran. Ich hatte Glück, dass ich von Anfang an auf ein außergewöhnlich gutes Coaching-Video zurückgreifen konnte: Safer and Surer Tackling von Hugh Wyatt. Dieses Video ist die beste Ressource, die ich je zum Thema Tackling gesehen habe.
Das Video beschreibt Schritt für Schritt wie man junge und neue Spieler an das Tackling heranführt, außerdem wird eine Technik gecoacht, die Hugh Wyatt "Chestplate Tackling" nennt. Chestplate Tackling bedeutet, dass der erste Kontaktpunkt die eigene Brust ist und der Kopf komplett aus dem Tackle herausgehalten wird. Wyatt zerteilt seinen Chestplate Tackle in 5 Phasen, die er dann entsprechend trainiert:

  • HIT
    Das ist nicht der Kontakt, sondern die Hit-, Breakdown- oder Football-Position (der Name ist unterschiedlich, aber jeder kennt diesen Stand). Die Füße stehen schulterbreit auseinander, die Knie sind gebeugt, der Oberkörper leicht nach vorne gelehnt und der Kopf schaut geradeaus. Der Stand ist wichtig, den wie sagt eine alte Footballweisheit: "Low man wins"

  • FIT
    FIT beschreibt den Kontaktpunkt. Wir wollen unser Brustbein an den Gegner bringen, die Arme greifen um seinen Körper herum und der Kopf liegt im Nacken. Der Spieler soll über den Gegner schauen, dann ist der Kopf automatisch oben: "Eyes to the skies!"

  • LOCK
    Wir wollen den Gegner packen, deshalb greifen wir ihn nicht nur, sondern ziehen oder drücken ihn ganz fest an uns. Aus diesem Griff darf sich kein Ballträger lösen können.

  • LIFT
    Jetzt kommt die Power beim Tackling ins Spiel. Bei "Lift" bringen wir explosiv unsere Hüfte nach vorne. Es geht dabei nicht darum den Ballträger anzuheben, sondern unsere Energie in den Gegner einzuwirken. Diese "Hüftexplosion" entspricht der Beschleunigungsphase beim Gewichtheben, deshalb heißt sie auch "Lift"

  • DRIVE
    Die letzte Phase ist die entscheidende. Nach dem Hit hören viele Tackler auf und wundern sich warum der Ballträger noch steht. Wir betonen, dass nach dem Kontakt der Ballträger weg geschoben werden muss - seine Vorwärtsbewegung soll gestoppt werden, d.h. wir schieben ihn zurück bis die Schiedsrichter abpfeifen. Unser erstes Ziel ist es nicht den Ballträger zu Boden zu bringen, sondern ihn zurückzuschieben, denn so bringen wir die Tackler dazu nach dem Kontakt weiterzuarbeiten

Diese 5 Phasen ergeben nach genügend Trainingszeit einen flüssigen Bewegungsablauf und ermöglichen einem Spieler einen sicheren Tackle auszuführen. Auch meine Spieler haben sich in den letzten Jahren beim Tacklen verletzt, aber nie wenn sie die Chestplate-Technik richtig angewendet haben. Deshalb achte ich sehr bei jedem Training auf eine richtige Ausführung und genügend Wiederholungen. Formtackling ist bei uns Teil jeder Trainingseinheit.
Ein großer Vorteil vom Chestplate Tackling neben dem gesundheitlichen ist der spielerische Aspekt. Spieler, die den Kopf oben haben und nicht in die Beine springen werden weniger Tackles verpassen. Spieler, die mit der Brust den Kontakt machen werden weniger Armtackles machen. Spieler, die nach dem Kontakt weiterarbeiten werden verhindern, dass der Ballträger sich losreissen kann usw. Ein Team, das sicherer tackelt wird eine bessere Defense haben!

Bei Youtube findet am jede Menge Videos zum Thema Tackling (gute und viele schlechte!) und auch ein Video, das das Thema Chestplate Tackling kurz anschneidet:

Zum Abschluss möchte ich noch ein kleines Video zeigen, das beweist, dass Chestplate Tackling auch auf hohem Level gecoacht wird. Hier ist ein Ausschnitt aus dem Spring Practice der Iowa Hawkeyes:

Für Fragen oder Anmerkungen zum Thema Chestplate Tackling stehen die Kommentare zur Verfügung!