Ein deutscher Football-Blog

Donnerstag, 16. April 2009

Wie wär's mit 6-Man-Football?

Im Verlauf einer netten E-Mail-Konversation mit Matthias Schmücker (Headcoach der Göttingen Generals) über unsere beiden Football-Teams und die normalen Probleme im Trainergeschäft wurde auch der 6-Man-Football angesprochen. Der 6-Man-Football - die Lösung vieler Probleme: 10 motivierte Leute pro Mannschaft und ein kleines Feld und schon kann man Football spielen. Wäre das nicht das perfekte Mittel damit Footballdeutschland auch in das letzte Kuhdorf am Ende der asphaltierten Straße expandieren kann?

Halt, nicht so schnell. Was ist 6-Man-Football? Wie funktioniert er? Und wo kommt er her?

Six-Man-Football kommt natürlich aus dem Mutterland des Footballs. 1934 hat ein Highschool Coach namens Stephen Epler aus Nebraska diese Art des Footballs eingeführt. Höchstwahrscheinlich hatte er einfach nicht genug Spieler, um mit 11 gegen 11 antreten zu können, also fand er einen Weg wie seine Jungs trotzdem spielen konnten. Wirklich populär wurde 6-Man-Football aber erst in Texas. Dieser riesige Flächenstaat hieß diese Variation 1938 willkommen und bereits im ersten Jahr starteten 55 Teams in den Spielbetrieb. Die Texaner lieben Football und durch den 6-Man-Football konnte jede Dorfschule ein Football-Team stellen, d.h. jede kleine Stadt hatte sein Football-Team, mit dem es sich identifizieren konnte. Immer mehr Schulen spielten 6-Man-Football, in den 1960ern waren es über 160. Trotz Landflucht und der allgemeinen Zunahme der Weltbevölkerung gibt es in Texas heutzutage immer noch ca. 110 Schulen, die 6-gegen-6 spielen. Außerdem spielen Highschools in Colorado, Montana, New Mexico, Nebraska und Kanada um die Ehre und State Championships. Ein weiterer Indikator für die Popularität des 6-Man-Footballs sind die beiden Erwachsenen-Verbände in Texas: die Texas Sixman Football Association und die Southeastern Christian Association of Sixman Football. Der bekannteste Spieler aus einer 6-Man-Football Highschool dürfte wohl Jack Pardee sein, der auch in der Hall of Fame der Texas 6-Man Coaches Association vertreten ist.

6-Man-Football hat natürlich Regelanpassungen gegenüber dem 11-gg-11-Football, aber die sind weit weniger gravierend als man denken mag. Man könnte die 6-Man-Regeln sehr leicht nach Footballdeutschland importieren, da die Highschools in Texas genau wie wir nach den NCAA-Regeln spielen. Die University Interscholastic League (UIL) hat alle Änderungen hier veröffentlicht. Trotzdem hier mal ein kleiner Überblick:
    • Das Feld ist kleiner: 80 Yards (100 Yards mit Endzonen) lang und 40 Yards breit.
    • Die Offense muss 15 Yards für ein First Down überbrücken.
    • Alle Spieler dürfen einen Vorwärtspass fangen.
    • Der 'Quarterback' muss den Ball abgeben oder passen, sonst darf der Ball die Line-Of-Scrimmage nicht überqueren.
    • Ein Fieldgoals ist 4 Punkte wert, ein Extra-Point-Kick 2 Punkte und eine PAT-Coversion via Run oder Pass ist 1 Punkt wert.
    • Beim Snap müssen 3 Spieler an der Line-Of-Scrimmage stehen.
    • Gespielt werden 4x10 Minuten mit 2 Minuten Pause zwischen den Quartern und 15 Minuten Halbzeitpause

  • Grundsätzlich ist 6-Man-Football ein sehr schnelles Spiel, indem viele Punkte fallen.(Hier kann man die Ergebnisse von 2008 in Texas anschauen, darunter beispielsweise Star 90 vs. Gustine 64) Es ist am ehesten vergleichbar mit 5-on-5-Flag Football, hinzukommen eben die physischen Komponenten Blocken und Tacklen.
    Ich hab schon seit einiger Zeit folgendes Buch zu diesem Thema auf meiner Amazon-Merkliste: Six-Man Football: A Coach's and Player's Guide with a History of Championship Teams von C. H. Underwood. Das wird bei meiner nächsten Bestellung auf jeden Fall geordert.

    Kommen wir zurück zum ersten Absatz - Warum denke ich, dass 6-Man-Football sehr gut in Footballdeutschland reinpasst? Aus zwei Gründen: Basisarbeit und Zuschauergewohnheit.
    Wie wäre es, wenn es in vielen 1000-5000 Einwohnerstädtchen ein Footballteam gebe? Mehr Footballspieler und vor allem mehr Footballaktivisten, d.h. mehr Leute, die Football ins gesellschaftliche Gespräch rücken. Mehr Leute, die Sponsoren suchen, Lokalzeitungen anschreiben und mehr lustige Beiträge im Lokalfernsehen. Wenn es in jedem Dorf ein Footballteam gibt, dann wird aus der Freakshow etwas Alltägliches. Mehr Spieler bedeuten auch mehr mögliche Zuschauer bei höherklassigen Begegnungen, denn wie in den meisten Sportarten sind viele Aktive auch gleichzeitig Fans. Warum sind der Schützen- und Turnerbund unter den Top-5-Spitzenverbänden in Deutschland und Football nur auf Platz 42 (von 60)? Nicht weil Sportschießen und die Turnerbundesliga zur Prime Time im Fernsehen kommen, sondern weil es überall Schützen- und Turnvereine gibt (und natürlich auch weil beide Sportverbände etwas mehr als 30 Jahre auf dem Buckel haben). Um Football vom Rand der deutschen Sportwelt zu holen, muss man ihn in die Mitte der Gesellschaft pflanzen und das funktioniert nicht durch Stärkung der Elite, sondern durch Erschließung einer bisher nicht bekannten Basis.

    Außerdem ist 6-Man-Football genau die Art von Football, die laut landläufiger Meinung, die unbedarften Zuschauer sehen wollen: Wide-Open-Big-Play-Football. 6-Man-Football ist ähnlich wie Basketball schell, aber übersichtlich. Ich glaube kaum, dass alle BBL-Fans die kompletten Regeln und Taktiken von Basketball kennen oder verstehen, aber das ist egal, denn man kann sich auch so begeistern. 6-Man-Football funktioniert ähnlich: Big-Plays und Big-Hits passieren oft und man kann sie jederzeit sehen. Egal ob man versteht, wie Football funktioniert oder nicht, die Dynamik reißt einen mit. Kann man die Leute begeistern, dann bleiben sie einem wahrscheinlich auch erhalten und dann setzen sie sich auch eher mit den Regeln auseinander.

    Ob wir in Deutschland jemals 6-Man-Football im Ligabetrieb spielen, hängt von einer Menge Faktoren ab: Zustimmung durch den Verband und die Schiedsrichtervereinigung, interessierte Teams und allgemeine Akzeptanz durch die Football-Gemeinschaft. Gedanken wie "Das ist kein richtiger Football!" müssen endlich raus aus den Köpfen. Die NFL hat zwar den Football in Deutschland geprägt, aber sie darf unsere Entwicklung nicht erdrücken. Vielleicht brauchen wir ein paar neue Ideen jenseits von TV-Formaten und PR-Beratern, um Football bekannter zu machen. Die Frage bleibt: Sind wir dafür bereit?

    Ein Zitat aus dem ESPN-Artikel (siehe unten):
    "Football is football," Campbell said. "Blocking. Tackling. If you have football instincts, you'll pick it up.

    Mehr zum Thema 6-Man-Football:
    sixmanfootball.com
    Texas 6-Man Coaches Association
    Six-man thrives in rural towns

    4 comments: to “ Wie wär's mit 6-Man-Football?

    • Anonym
      17. April 2009 um 21:37

      Da sind zwei Schreibfehler drin. Im Zusammenhang mit Schützenvereinen würde ich zZ nicht von 'Erschießung' reden, sondern lieber von 'Erschließung'. Und die Frage am Ende beinhaltet 2x 'sind'... ;)

    • SchanzerX
      18. April 2009 um 01:32

      Danke für die Verbesserungen. Nichts ist besser als ein aufmerksamer, kritischer Leser.
      Tja, in Zeiten der Wirtschaftskrise hat mein Unterbewußtsein scheinbar mehr Angst vor 'Schließung' als vor 'Erschießung'!
      Ich werd in Zukunft gründlicher Korrekturlesen, versprochen!

    • ralf
      18. April 2009 um 03:48

      "[...die Lösung vieler Probleme: 10 motivierte Leute und ein kleines Feld...]"

      Hi Jens,
      ZEHN motivierte Spieler sind gut, aber ZWOELF motivierte Spieler waeren bei 6-on-6 moeglicherweise besser... ;-)

    • SchanzerX
      18. April 2009 um 09:47

      '10 motivierte Leute PRO MANNSCHAFT'

      Ok, ich brauch eindeutig einen Lektor, der meine Posts überarbeitet.

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